Mitteilung von AFVD vom 25.05.2006

DOSB Präsident Dr. Thomas Bach beim DOSB Gründungsfestakt

Rede des DOSB-Präsidenten Dr. Thomas Bach anlässlich des Festaktes zur Gründung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) in der Paulskirche zu Frankfurt, 20. Mai 2006

Der deutsche Sport bricht auf zu neuen Ufern. Wir vergewissern uns dieser Bereitschaft an einem geschichtsträchtigen Ort. Wir hoffen, dass die positiven Seiten des „genius loci“ der Paulskirche zu Frankfurt auf uns wirken. Wir wollen Neues wagen ohne den Boden unter den Füßen zu verlieren. Deshalb sind wir dankbar für vieles, was von unseren Vorgängerorganisationen erreicht worden ist. Der DOSB kann aufbauen auf geschaffene Werte, er darf sich aber nicht darauf ausruhen, denn wir wollen den Wert des Sports mit seinen Werten steigern.

Dies wird uns nur gelingen, wenn wir uns vorausschauend nicht nur den sportlichen, sondern insbesondere auch den gesellschaftspolitischen Herausforderungen der nächsten Jahre stellen. Die wichtigsten sind aus meiner Sicht die demographische Entwicklung einerseits und Chancengleichheit und Integration andererseits. Beide berühren den Sport unmittelbar.

Die dramatische Alterung unserer Gesellschaft berührt den Sport in all seinen Facetten. Dies ist kein Problem des olympischen oder nicht-olympischen Sports, dies ist kein Problem der Landessportbünde, Vereine oder Verbände – dies ist eine Herausforderung für uns alle.

Weniger Kinder heißt weniger sporttreibende Jugendliche, weniger sporttreibende Jugendliche bedeutet weniger leistungssportliche Talente, bedeutet aber auch weniger Mitglieder in Vereinen, führt zu geringerem Beitragsaufkommen. Sie können diese Liste der Folgen fast beliebig verlängern. Wir werden uns mit unseren Vereinen deshalb damit beschäftigen müssen, wie wir wieder mehr Kinder für den Sport begeistern können. Dazu gehören neue Angebote, die sich den radikal veränderten Lebensformen in unserem Land anpassen. Die Flexibilisierung von Arbeitszeiten erfordert auch die Flexibilisierung von Sportzeiten. Der Sport konkurriert insbesondere mit einer stetig steigenden Zahl elektronischer Medien, Fernsehen, Video und Internet. Das erfordert von uns noch mehr Eingehen auf individuelle Wünsche, erfordert noch mehr Differenzierung in Freizeit-, Fitness-, Gesundheits- und Leistungssportangebote. Gefordert sind aber auch die Schulen mit einem modernen und ausreichenden Angebot an Schulsport. Die deutsche Sportjugend wird dazu zukunftsweisende Konzepte vorstellen. Viele Vereine haben bereits glänzende Beiträge geleistet und sind mit solidem Mitgliederwachstum belohnt worden. Wir müssen und werden derartige Initiativen fördern und zu verbreitern versuchen.

Demographische Alterung bedeutet aber auch, dass wir mehr aktive ältere Menschen haben als jemals zuvor. Zu dieser Entwicklung hat der Sport mit seinen gesundheits- und fitnessorientierten Angeboten nicht unerheblich beigetragen. Wir sollten deshalb auch versuchen, aus dieser wichtigen Gruppe unserer Gesellschaft mehr Menschen für sportliches und ehrenamtliches Engagement zu gewinnen. Dies wird aber nur gelingen, wenn wir der gewandelten Lebensplanung dieser älteren Menschen, die von mehr Individualität und mehr Spontaneität geprägt wird, Rechnung tragen. Bieten Sie Projekte an, aktivieren, motivieren Sie die Leute. Projektarbeit ist daher ein guter Einstieg in Vereinsarbeit. Der deutsche Sport ist mit 4,5 Millionen ehrenamtlich tätigen Menschen die mit Abstand größte Bürgerbewegung unseres Landes; deshalb können wir besonders überzeugend beweisen, dass auch Arbeit ohne Bezahlung Sinnstiftung bietet.

Chancengleichheit und Integration sind die Schlüssel für die Zukunft Europas, habe ich kürzlich in einem Papier der Europäischen Union gelesen. Angesichts der weltweiten Migration gilt dieser Satz weit über Europa hinaus. Der Sport bietet für die Integration herausragende – ich möchte sagen einzigartige – Möglichkeiten. Der Sport bietet Verständigung und Integration über Sprach- und Kulturbarrieren hinweg. Gemeinsames Sporttreiben schafft Gemeinsamkeiten und gegenseitiges Vertrauen. Sport eröffnet Möglichkeiten der Selbstverwirklichung, Sport lehrt Selbstbehauptung in einem vorgegebenen Regelwerk. Sport vermittelt daher motorische und soziale Kompetenz. Der Sport reicht aber weiter als Schule und Bildungsprogramme. Der Sport – meine Damen und Herren – der Sport ist Integration.
Deshalb verurteilen wir mit aller Schärfe jede Art von Fremdenhass, Intoleranz oder gar Gewalt, sei es von Athleten oder Zuschauern. Insgesamt aber kann
der deutsche Sport mit Stolz feststellen: Wir sind auf dem Weg einer echten und nachhaltigen Integration fast allen anderen gesellschaftlichen Bereichen voraus – sowohl an Erfahrung als auch an Erfolg.

Deshalb, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, beobachtet der DOSB mit großer Sympathie die vielfältigen Aktivitäten Ihrer Regierung auf dem Gebiet der gesellschaftlichen Integration. Ich darf Ihnen versichern, dass der gesamte deutsche Sport diese Bemühungen mit voller Kraft unterstützt. Wir sind auch bei diesem Thema bereit, gesellschaftspolitische Verantwortung zu übernehmen. Wir werden neue innovative Projekte starten Dabei werden Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund eine besondere Rolle spielen.

Dieser DOSB wird sich jedoch dem Thema Frauen nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Integration widmen. Wir sind dankbar und stolz, dass heute ca. 10 Millionen Frauen und Mädchen Mitglied in einem Sportverein sind. Wir sind natürlich ganz besonders stolz auf unsere erfolgreichen Medaillengewinnerinnen bei Olympischen Spielen, von denen ich einige hier im Saal mit großer Freude begrüße. Aber dennoch verbleiben Bereiche, in denen der Frauenanteil unterdurchschnittlich ist, wir also Potential haben. Dies gilt insbesondere für Frauen in Führungspositionen des Sports. Ich gestehe gerne, dass ich kein Freund von Quoten, aber ein Kämpfer für Kompetenz und Chancengleichheit bin. Wir benötigen dringend die Qualifikation und das Engagement von Frauen im Sport, wir können es uns schlichtweg nicht erlauben, die Fähigkeiten von 50 % unserer Bevölkerung nicht in unsere Arbeit einzubeziehen. Der DOSB geht dabei mit gutem Beispiel voran, denn auch wenn ich, wie gesagt, kein Freund von Quoten bin, so stelle ich doch gerne fest, dass 40 % unserer Vizepräsidenten Frauen sind.



Einsatz für Kompetenz bedeutet gleichzeitig Bekenntnis zur Leistung. Eine Gesellschaft ohne dieses gelebte Bekenntnis zur Leistung ist nicht überlebensfähig. Die Leistung ist Teil der menschlichen Natur und wesentlicher Bestandteil sportlicher Betätigung. Josef H. Reichhof hat es in seinem Buchtitel treffend ausgedrückt: „Warum wir siegen wollen. Der sportliche Ehrgeiz als Triebkraft in der Evolution des Menschen“. Der Sport hat dieses Leistungsstreben und den sich dadurch selbstver- ständlich ergebenden Wettbewerb ritualisiert und damit zivilisiert. Damit ist der Sport bahnbrechend. Als einziger Teil unseres gesellschaftlichen Lebens hat der Sport nämlich das geschaffen, was politische Philosophen wie György Konrad oder Theologen wie Hans Küng, immer wieder fordern, nämlich ein „Weltethos“ oder besser für den Sport ein „Weltrecht“. Im Sport sind Regeln weltweit für alle Athleten gleich. Damit setzt der Sport Maßstäbe, die selbst einzuhalten ihm allerdings manchmal schwer fällt.

Das klare Bekenntnis zur Leistung, zu einer Leistungselite geht daher einher mit einem ebenso klaren Bekenntnis zur Respektierung der Regeln des Sports und der Förderung des fair-play. Wenn wir den Wert der Leistung im Sport bewahren wollen, müssen wir uns für die Werte der Regeltreue und des fair-play einsetzen.

Dies gilt ganz besonders für den Kampf gegen Doping. Nur ein dopingfreier Sport ist ein glaubwürdiger und überlebensfähiger Sport. Doping ist nichts anderes als Betrug, Betrug am Konkurrenten und an sich selbst. Manipulation in jeder Form, sei es als Doping oder Korruption, sagen wir mit „Null Toleranz“ den Kampf an. Der DOSB bekennt sich zu diesem Kampf in der guten Tradition seiner Vorgängerorganisationen und seiner Mitglieder. Wir werden daher auch in Zukunft das Internationale Olympische Komitee und die Welt-Doping-Agentur ohne Einschränkung unterstützen.

Dabei stehen wir vor neuen Herausforderungen erschreckender Größenordnung. Die Möglichkeit zur Genmanipulation wird die Frage nach dem Menschen selbst neu stellen. Alle bisherigen technischen Entwicklungsschritte der Menschheit betrafen zunächst das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt. Die Gentechnologie stellt dagegen den Menschen selbst in Frage. Der Sport steht dabei sicher nicht im Mittelpunkt der breit angelegten ethischen Diskussion. Aber wie bei vielen gesamtgesellschaftlichen Problemen fokussieren sie sich im Sport wie in einem Brennglas, werden auch für Laien verständlich und zum Diskussionsstoff. Für den deutschen Sport ist klar: Gentechnische Manipulation zum Zweck der sportlichen Leistungssteigerung ist tabu. Angesicht der Komplexität der Materie kann der Sport jedoch alle damit verbundenen ethischen, wissenschaftlichen und rechtlichen Fragen nicht alleine lösen. Ich bin deshalb Herrn Bundesinnenminister Schäuble besonders dankbar, dass er zu einem Runden Tisch von Vertretern aus Wissenschaft, Politik, Recht und Sport zu diesem Thema einladen wird.

Diese Form der Arbeitsteilung zwischen Sport und Staat wollen wir in allen Bereichen des Kampfes gegen Doping pflegen. Dabei sollte als Grundsatz gelten, dass der Sport sich um die Kontrolle und Sanktionierung der Athleten kümmert, der Staat dagegen den Sumpf im Umfeld der gedopten Athleten auszutrocknen hilft.

Neben der Frage der Sanktionierung muss jedoch die Doping-Prävention verstärkt angegangen werden. Wir sind der festen Überzeugung, dass dabei neue Wege beschritten werden müssen. Generalprävention reicht nicht aus. Aus meiner IOC-Tätigkeit als Vorsitzender zahlreicher Anti-Doping-Disziplinarkommissionen weiß ich, dass Prävention nur dann eine Chance hat, wenn sie direkt den gefährdeten Athleten erreicht. Diese Athleten werden oftmals durch ihr unmittelbares Umfeld zum Doping herangeführt, oftmals nicht davon abgehalten. In dieser wichtigen Phase seiner Entscheidung findet der Athlet selten einen Ansprechpartner seines Vertrauens, der nicht zumindest mittelbar an seinen Erfolgen interessiert ist. Diesem Athleten gegenüber haben wir eine Verantwortung. Ich werde deshalb dem neuen Präsidium vorschlagen, dem Athleten einen oder mehrere Vertrauensleute zur Verfügung zu stellen. Diese Anti-Doping-Vertrauensleute sollen direkt mit den Athleten ins Gespräch kommen, sie sollen für vertrauliche Gespräche zur Verfügung stehen, sie sollen glaubwürdigen Rat erteilen. Um diesen Anti-Doping-Vertrauensleuten möglichst direkten Zugang zu den Athleten zu gewähren, sollen sie bei der Sportorganisation, dem DOSB angesiedelt sein. Sie sollen inhaltliche Unterstützung aus dem Bereich „Bildung und Olympische Erziehung“ erhalten, aber ansonsten unabhängig arbeiten.

Bei aller Wachsamkeit im Kampf gegen Doping dürfen wir jedoch dessen eigentliches Ziel, nämlich den Schutz der „sauberen“ Athleten niemals aus den Augen verlieren. Dieser, selbst wenn ich eine hohe Dunkelziffer unterstelle, übergroßen Mehrheit von fairen Athleten schulden wir glaubwürdige Wettkampfmöglichkeiten, ihnen schulden wir aber auch Respekt und Vertrauen.

Der DOSB wird vielfältige Initiativen ergreifen, um unsere deutschen Athleten zu fördern und sie insbesondere auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, seien es die Olympischen Spiele oder die Paralympics, erfolgreich vorzubereiten. Dabei wissen wir, dass durch die Gründung unseres DOSB allein noch kein Athlet auch nur eine Hundertstel-Sekunde schneller läuft. Wir können jedoch kürzere Entscheidungswege, weniger Reibungsverluste, größere Konzentration anbieten.

Wir sind deshalb den bisher im Leistungssport Verantwortlichen dankbar für die vielen guten Ideen, die sie uns in diesem Sinne noch heute Morgen auf den Weg mitgegeben haben.

Ich bin sicher, dass die jetzt im Leistungsport Verantwortlichen die Anstöße insbesondere der wichtigen Traineroffensive, der besseren Erfolgskontrolle der eingesetzten Gelder, intensive Weiterbildung von Trainern und anderen Führungskräften im Leistungssport, bessere Talententwicklung aufgreifen und umsetzen werden.

Darüber hinaus müssen wir sehr genau prüfen, wie wir die Olympiastützpunkte enger mit den Verbänden verzahnen können. Dabei könnten die Olympiastützpunkte auch regionale Konzepte der Verbände umsetzen. Es wird einer großen Anstrengung unserer Verbände und der Landessportbünde bedürfen, die Olympiastützpunkte einheitlicher und gezielter zu koordinieren. Das Präsidium des DOSB wird auch dazu Vorschläge und Konzepte anbieten.

Nach den Ergebnissen der Vergangenheit zu schließen, liegt die große Stärke unseres Sports in den Bereichen Material und wissenschaftliche Begleitung unserer Athleten. Dabei haben das Institut für angewandte Trainingswissenschaft und das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten hervorragende Arbeit geleistet, auf die wir auch in Zukunft vertrauen. Allerdings scheint im gesamten sportwissenschaftlichen Bereich eine stärkere Bündelung des know-how erforderlich – sei es virtuell oder reell.

Zu einem Erfolgskonzept entwickelt haben sich die „Eliteschulen des Sports“, die von der großen Mehrheit unserer Medaillengewinner durchlaufen wurden. Allerdings gibt es leider in der regionalen Abdeckung noch weiße Flächen auf der deutschen Karte. Daher appellieren wir an die Länder: Gründen Sie mehr „Eliteschulen des Sports“! Allerdings muss die Qualitätskontrolle des Sports für die Vergabe und Erhaltung dieses Prädikats „Eliteschule“, aber auch „Eliteschüler“ dringend verschärft werden.

Diese Maßnahmen werden mittel- und langfristig Erfolge erzielen. Davon sind wir ebenso überzeugt, wie davon, dass 26 Monate bis zur Eröffnung der Olympischen Spiele 2008 in Peking nicht ausreichen für neue sichtbare Erfolge auf breiter Basis. Dies gilt umso mehr, als der Wettbewerb im internationalen Sport sich weiter verschärfen wird. Der Sport lebt bereits in der Zeit der Nach-Globalisierung. Der deutsche Sport muss seine Chancen teilen mit 203 an den Olympischen Spielen teilnehmenden Nationalen Olympischen Komitees und immer mehr Nationen in den Medaillen- und Finalrängen.

Deshalb ist gerade beim Leistungssport, aber eben nicht nur dort eine höhere Professionalisierung in der Arbeit des deutschen Sports gefordert. Zwar arbeiten auch ehrenamtliche Führungskräfte durchaus professionell mit herausragenden Ergebnissen, aber der moderne Sport fordert Vollzeitbeschäftigung. Das erste Präsidium des DOSB wird daher die Möglichkeiten der Satzung ausschöpfen und verstärkt Verantwortung auf die hauptamtlichen Mitarbeiter, geführt vom Direktorium, übertragen. Dabei werden wir uns an erprobten Führungsmodellen der Wirtschaft orientieren.

Unsere Satzungsgeber haben uns ein Modell in etwa nach einem Schweizer Verwaltungsrat an die Hand gegeben, in dem der Generaldirektor vom Präsidium berufen wird und dessen stimmberechtigtes Mitglied ist. Das Präsidium wird verantwortlich sein für die strategischen Entscheidungen des DOSB, es wird dem Direktorium Ziele setzen, es wird das Direktorium ebenso beraten wie kontrollieren. Die Mitglieder des Präsidiums werden bei einzelnen Projekten mit dem jeweiligen Direktor auch einzelne operative Aufgaben wahrnehmen, sie werden sich mit dem Direktorium bei der Repräsentierung des DOSB ergänzen. Das Direktorium führt die
Geschäfte unter der Leitung des Generaldirektors. Diese Führungsstruktur muss von den Mitgliedern des Präsidiums getragen, vom Generaldirektor und den Direktoren umgesetzt und von allen Mitarbeitern der bis heute noch zwei Organisationen mit Überzeugung gelebt werden.

Das Präsidium wird deshalb im Rahmen einer ersten viertägigen Klausurtagung einen Fusionsbeauftragten des Präsidiums benennen, es wird die Stelle des Generaldirektors ausschreiben und es wird sich professionellen Rat bei der internen Gestaltung der Fusion einholen. Dabei wird das Augenmerk besonders auf die Integration der beiden Verwaltungen gelegt werden.

Die Hauptaufgabe aber wird sein, alle Mitglieder unseres DOSB zusammenzuführen. Dies erfordert aber nicht nur eine balancierte Politik des Präsidiums, es erfordert vor allen Dingen die Solidarität der Mitglieder. Wir alle müssen erkennen, dass wir die großen Herausforderungen – von denen ich hier nur einige beispielhaft nennen konnte – dass wir die großen Herausforderungen nur gemeinsam bestehen können.

Natürlich werden wir bei vielen Fragen hart diskutieren und Interessen untereinander artikulieren, am Ende aber stehen hoffentlich Sachentscheidungen, die dann von allen gemeinsam getragen werden. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für das Erreichen eines der wesentlichen Ziele der Gründung des DOSB. Der deutsche Sport will mit einer Stimme sprechen und sich damit mehr Gehör und besseres Verständnis verschaffen. Der deutsche Sport will seine Werte deutlicher artikulieren und seinen gesellschaftspolitischen Wert steigern. Die gesellschaftspolitische Bedeutung des Sports soll seinem gesellschaftspolitischen Wert entsprechen.

Dies wird jedoch nicht von selbst geschehen. Der deutsche Sport muss sich dazu anderen gesellschaftlichen Gruppen stärker öffnen. Wir müssen den Diskurs über den Sport nicht nur unter uns, sondern auch mit anderen führen. Deshalb bin ich besonders dankbar und glücklich, dass sich mit unserem ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, mit dem Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie Jürgen Thumann und mit dem bedeutenden Regisseur Thomas Langhoff drei herausragende Persönlichkeiten als persönliche Mitglieder des DOSB zur Verfügung gestellt haben. Sie werden uns mit Rat, Tat und konstruktiver Kritik begleiten. Sie werden darüber hinaus glänzende Botschafter des deutschen Sports in der deutschen Gesellschaft sein.

Diese neue Offenheit wird unsere gesellschaftspolitische Stellung verbessern und uns in unserer Partnerschaft mit Politik und Wirtschaft stärken. Dazu sind wir gut gerüstet. Mit 27 Millionen Mitgliedschaften, mit 4,5 Millionen ehrenamtlich tätigen Helfern, mit 90.000 Vereinen, mit fast 100 Verbänden ist der deutsche Sport die mit Abstand größte Bürgerbewegung in Deutschland. Die ständig gestiegene gesellschaftliche Bedeutung des Sports lässt sich quantitativ und qualitativ belegen. Über 50 % der Deutschen sind am Sport interessiert, ca. 20 Milliarden Euro geben die Deutschen jährlich für Sportaktivitäten aus, das wirtschaftliche Schicksal ganzer Unternehmen, nicht nur im Medienbereich, hängt am Sport. Der Sport entlastet den Staat auch durch die Leistung von geschätzten 1 Milliarde ehrenamtlich geleisteten Arbeitsstunden jährlich. Der Sport beschert unserer Gesellschaft etwa 700.000 Arbeitsplätze, die fest mit unserem Land und seinen Bürgern verbunden sind.

Der Sport bietet unserer Gesellschaft neben diesen messbaren Beiträgen unschätzbare Werte. Die Erziehung von Kindern im Sportverein ist mehr als Bewegung und Spiel. Unsere Jugendarbeit vermittelt in hohem Maße soziale Kompetenz: Respekt vor dem Sportpartner, mit Anstand verlieren, ohne Hochmut gewinnen, Achtung von Regeln, Selbstbehauptung und Einordnung in einer Mannschaft – das ist demokratische Erziehung in bestem Sinne. Der Sport überwindet Grenzen sozialer, weltanschaulicher, rassischer, sprachlicher Art und verbindet durch gemeinsame Ziele – das ist gesellschaftliche Integration ohne Zwang. Der Sport ist Bewegung: das ist gesundheitliche Prävention mit Spaß und Freude. Der Sport bietet Identifikation der Bürger mit ihrem Land und seinen Symbolen – das ist Patriotismus ohne Nationalismus. Der Sport ist gelebtes Bekenntnis zu Leistung und Eigenverantwortung – das ist sein Beitrag zu einer modernen Bürgergesellschaft.



Wir, der gesamte deutsche Sport repräsentiert durch den DOSB, sind bereit, diese Werte und diesen Wert in unsere Gesellschaft einzubringen. Wir werden dabei selbstbewusst unsere Autonomie verteidigen, wir werden dabei verantwortungsbewusst die Partnerschaft zu unserem Staat auf kommunaler, Landes- und Bundesebene suchen. Wir brauchen die Unterstützung des Staates auf allen Ebenen. Wir entlasten allerdings auch den Staat auf allen Ebenen. Daraus entsteht eine Partnerschaft zwischen Sport und Staat, die man auf „gut deutsch“ heute „public-private-partnership“ mit „win-win situation“ beschreiben kann oder mit den Worten von Papst Benedikt XVI in seiner ersten Enzyklika: „Nicht den alles regelnden und beherrschenden Staat brauchen wir, sondern den Staat, der entsprechend des Subsidaritätsprinzips großzügig die Initiativen anerkennt und unterstützt, die aus den verschiedenen gesellschaftlichen Kräften aufsteigen ….“.

Diesem Appell zum Abbau von bürokratischen Hemmnissen bei der Förderung des Sports und dieser Aufforderung zur großzügigen Unterstützung der Initiativen des Sports auf allen Ebenen habe ich nichts hinzuzufügen -
Frau Bundeskanzlerin, Herr Bundesinnenminister, Herr Vorsitzender des Sportausschusses, Herr Ministerpräsident, Frau Oberbürgermeisterin.

Wir sind Bund, Land und Kommunen dankbar für vielfältige Unterstützung in der Vergangenheit und wir setzen auf eine Intensivierung der Partnerschaft in der Zukunft. Daher möchte ich einen ganz besonderen Dank an unseren Bundespräsidenten Horst Köhler aussprechen. Mit seiner großen persönlichen Nähe zum Sport und mit der Übernahme der Schirmherrschaft über den DOSB hat er ein großartiges Zeichen gesetzt für die Partnerschaft von Sport und Staat. Gleichzeitig darf ich mich an dieser Stelle sehr herzlich bedanken bei Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, für ihr klares Bekenntnis zum Sport, das Sie heute abgelegt haben – wir haben es mit so großer Sympathie aufgenommen, dass wir sicher darauf zurückkommen werden. Danken darf ich aber auch einem bekennenden Freund des Sports und Wahrer seiner Autonomie, Herrn Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble. Lieber Herr Schäuble, wir sind Ihnen sehr dankbar für die hervorragende Zusammenarbeit und Unterstützung; ihre Zusage diesen DOSB bei der Bewältigung der sich aus der Fusion ergebenden Aufgaben und Kosten zu unterstützen und wahrnehmbare Erleichterungen bei der Förderung des Spitzensports vorzunehmen, sind für uns von höchster Bedeutung. In diesen Dank schließe ich die anderen dem Sport verbundenen Mitglieder der Bundesregierung, der Parlamente und alle unsere Partner in den Ländern und Kommunen ein. Wir werden ihnen ein verlässlicher Partner sein.

Der Richter am Bundesverfassungsgericht Prof. Dr. Udo Steiner hat zu diesem Thema gesagt: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Sportstaat …. Erfolgreicher Spitzensport ist positive Staatserfahrung, ist Staatspflege … Staat und Spitzensport weisen …originelle Symbiosen auf. Es gehört zu den interessanten verfassungsrechtlichen Asymmetrien, dass allen diesen … eindrucksvollen staatlichen Leistungen auf der Seite des Sports …nicht ein verfassungsrechtlicher Anspruch entspricht.“

Frau Bundeskanzlerin, Herr Minister, Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren Abgeordnete ist es nicht an der Zeit, dass unser Grundgesetz die Lebenswirklichkeit in diesem Lande widerspiegelt? Ist es nicht an der Zeit die Leistungen von Millionen Menschen im Sport anzuerkennen? Ist es nicht an der Zeit den Beitrag des Sports zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu würdigen? Ich glaube, es ist höchste Zeit, den Sport in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland aufzunehmen. Er hat es verdient, weil er allen Bürgern dient.

Der DOSB wird den Wert des Sports aber nicht nur im politischen Raum zu verdeutlichen suchen, er wird dies auch gegenüber der Wirtschaft tun.
Damit wird er seinem Anspruch und seiner Aufgabe gerecht, sich nicht nur auf öffentliche Förderung zu verlassen, sondern mehr Mittel selbst zu erwirtschaften. Die Relevanz des Sports für die Wirtschaft und für das Marketing ist offensichtlich. Etwa 2,5 Milliarden Euro fließen in Deutschland jährlich in das Sportsponsoring. Die Wirtschaft hat erkannt, dass Sport der beste Partner für ihr gesellschaftliches und unternehmerisches Wirken ist. Die Wirtschaft weiß, dass sie mit dem Sport die Menschen unmittelbar und auf sympathische Art und Weise erreicht. Die Wirtschaft hat realisiert, dass Kommunikation über den Sport am intensivsten ist – aktive sportliche Betätigung, passive Rezeption durch Sportmedien und Gespräche über den Sport nehmen heute die meiste Zeit des Alltags der Menschen in Anspruch.

Der nunmehr im DOSB vereinte deutsche Sport hat wesentlich verbesserte Möglichkeiten, diesen Erwartungen der Wirtschaft gerecht zu werden. Wir sind voller Vertrauen, dass unser Wirtschaftspartner, die Stiftung Deutsche Sporthilfe, lieber Hans-Wilhlem Gäb, diese neuen Möglichkeiten ausschöpft. Wir werden der Wirtschaft bessere Angebote machen können, die sich nicht in der Vergabe von Rechten an Logos erschöpft. Wir werden der Wirtschaft Gelegenheit geben, mit dem Sport auf größerer Breite zu kommunizieren. Das Marketing darf nicht allein auf das Spitzenprodukt der olympischen Ringe beschränkt sein. Wir werden unseren Teil dazu beitragen, dass die Werte des Sports besser in den Wert des Sports übersetzt werden. Der DOSB wird dazu Denkanstöße geben und Konzepte entwickeln, welche die Rechte unserer Mitgliedsorganisationen nicht beschneiden, aber Anreize zur Teilnahme bieten.

Auch dabei wird uns helfen, dass wir in Zukunft mit einer Stimme des deutschen Sports, der Stimme des DOSB sprechen können. Dieser DOSB vereinigt den gesamten deutschen Sport. Die Mitgliederversammlung des DOSB ist das deutsche Sportparlament. Dieses Sportparlament genießt die Legitimation der 27 Millionen Mitglieder in unseren 90.000 Vereinen. Dieses deutsche Sportparlament ist die Säule des deutschen Sports. Wir werden von diesen Möglichkeiten gemeinsam Gebrauch machen. Der DOSB ist nicht die Sache einiger weniger, der DOSB ist die Sache aller, die sich um den Sport bemühen. Deshalb lade ich Sie alle ein, begleiten Sie uns auf diesem neuen Weg, öffnen Sie sich den sich bietenden Chancen, seien Sie aufgeschlossen, helfen Sie mit Rat und Tat. Der Sport gehört zum Besten, was Deutschland der Welt bietet, in Leistung und freundschaftlichem Wettbewerb.

Dabei gilt, was ich kürzlich von Detlef Kuhlmann gelesen habe: „Den perfekten Sport gibt es nicht ... Im Grunde zelebrieren wir im Sport immer nur unser eigenes körperliches Unvermögen. … Wir alle präsentieren immer nur die Grenzen dessen, was wir noch nicht können …Es wird uns im Sport … nicht gelingen, das Fenster des Perfekten jemals ganz zu öffnen. Im Sport werden wir nie fertig.“




Genau das – meine Damen und Herren – genau das ist die Faszination des Sports und der Sportpolitik. Geben Sie sich dieser Faszination hin, machen Sie mit: Der Sport ist es wert, der Sport wird es Ihnen danken.