Perspektiven des Football-Leistungssports in Deutschland
Hauptausschuss und Präsidium haben sich unlängst in der Sitzung des Hauptauschusses grundlegend mit der Situation der Sportart American Football im Leistungssport und mit dessen Stellung im deutschen Sportsystem befasst. Während es auf der einen Seite erfreuliche Entwicklungen im Bereich der Fernsehpräsenz und Mitgliederentwicklung gibt, sieht dies im Bereich Leistungssport weniger erfreulich aus.
1.
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und das Bundesministerium des Innern haben die Förderrichtlinie für den nicht-olympischen Sport bereits im Dezember letzten Jahres präzisiert und dabei verschärft. Voraussetzung für die Förderung ist nach den neuen Richtlinien die Teilnahme von mindestens 16 Nationen an der Endrunde einer Weltmeisterschaft (ohne dass Vorqualifikationen mitzählen). Zuvor konnte dieses Quorum in der Addition von Endrunde und Vorqualifikation erfüllt werden.
Dieses Kriterium kann in der Sportart American Football mit Amateurmannschaften nicht erfüllt werden. Es gibt keinen gangbaren Weg, eine Football-Weltmeisterschaft mit 16 Nationen in einem zusammenhängenden Turnier zu spielen. Ein solches Turnier würde mindestens drei Wochen dauern müssen, da fünf Spiele je Mannschaft für einen sportlich sinnvollen Modus sowie An- und Abreisetage nötig wären. Hinzu käme noch die Vorbereitungsphase mit einem gemeinsamen Trainingslager.
Dies ist in einem Amateursport für Spieler und Trainer nicht leistbar und für Verbände ohne Unterstützung mit öffentlichen Geldern auch nicht finanzierbar. Auch die Ausrichtung eines solchen Turnieres, bei dem allein die Übernachtungskosten für 16 Mannschaften über eine Million Euro verschlingen würden, ist derzeit nirgendwo auf der Welt refinanzierbar - selbst in den USA nicht, wie die ohne jede Zuschauerresonanz ausgetragenen Turniere in Austin oder Canton belegt haben.
2.
Es steht nicht in der Macht des AFVD, diese Ausgangslage zu ändern. Einzig DOSB und das Bundesministerium des Innern können ihre Einschätzung ändern. Entsprechende Anläufe des AFVD, einschließlich eines eingebrachten Änderungsantrages zur DOSB-Mitgliederversammlung werden und wurden unternommen. Ziel ist zu erreichen, dass die spezifische Situation im American Football mit seinen mit anderen Sportarten nicht vergleichbaren Kadergrößen sowie seiner speziellen physischen Anforderungen berücksichtigt wird.
Dazu gehörten auch mehrere Klagen und gerichtliche Eilverfahren gegen das Bundesverwaltungsamt gegen die Förderpraxis des letzten Förderzyklus. Diese Klagen erbrachten in vielen Punkten rechtliche Klarheit, von der nunmehr auch die übrige deutsche Sportfamilie profitiert. Allerdings auch die Erkenntnis, dass die Entscheidungshoheit über die Bundesförderung als solche ganz allein beim Bundesministerium liegt und dieses einen sehr großen Entscheidungsspielraum hat. Das Kriterium von mindestens 16 Teilnehmernationen an einer WM-Endrunde wird vom Ministerium auch für den American Football als verbindlich betrachtet.
Eine Änderung dieses Kriteriums wird es, wenn überhaupt, nur über eine politische Entscheidung auf der politischen Leitungsebene des Ministeriums oder durch Intervention des Deutschen Bundestages geben können. Angesichts der stockenden Leistungssportreform insgesamt auf DOSB-Ebene ist dies jedoch kurz- und mittelfristig sehr unwahrscheinlich. Zumal der nicht-olympische Sport in Deutschland ohnehin bereits deutlich weniger Förderung erhält als der olympische Bereich. Es ist also davon auszugehen, dass eine Bundesförderung kurz- und mittelfristig unmöglich ist.
3.
Teilnahmen an Weltturnieren in Übersee mit Reisekosten von weit über 100.000 Euro sind unter diesen Voraussetzungen schwer vorstellbar. Hinzu kommt, dass das Organisationsniveau internationaler Turniere außerhalb Deutschlands (und Österreichs) dafür sorgt, dass diese für Sponsoren, Wirtschaftpartner, Medien, Fernsehen und Zuschauer nur mäßig attraktiv sind. Die letzte Weltmeisterschaft in Canton (USA) fand ohne jedes Zuschauerinteresse und ohne Medien- und Fernsehpräsenz statt. Auch die letzten beiden Junioren-Weltmeisterschaften in Kuwait (während des Hochsommers im Ramadan) und in Harbin (China) zeichneten sich vor allem dank überaus motivierter, engagierter und gastfreundlicher Helfer vor Ort aus - aber außer denen war praktisch niemand in den Stadien. Dies reduziert naturgemäß auch die Möglichkeit, Partner wie Wirtschaft, Staat und Medien für eine Unterstützung dieser Veranstaltungen zu motivieren.
Die Turniere des letzten Jahrzehnts in Deutschland und Österreich boten Endspiele in Fußball-WM-Stadien mit fünfstelligen Zuschauerzahlen und Live-Übertragungen in frei empfangbaren TV-Sendern. Eine Bereitschaft, an diese Beispiele anzuknüpfen, ist auf internationaler Ebene derzeit nicht zu erkennen. Das Modell des Weltverbandes sieht vor, die Kosten der Turniere allein den teilnehmenden Mannschaften aufzubürden. Beauftragte Ausrichter planen von vornherein ohne Zuschauerresonanz, Medieninteresse oder überhaupt allgemeine Sportinfrastruktur. Statt EM-Finals in der Commerzbank Arena oder dem Ernst-Happel-Stadion gibt es so Turniere auf einfachsten Sportanlagen in Kleinstädten.
4.
Der Gesamtverband muss sich der grundsätzlichen Frage stellen, wie er sein Leistungssportprogramm für die nähere Zukunft vor diesem Hintergrund gestaltet. Eine Förderung aus öffentlichen Mitteln ist nicht mehr möglich, auch eine finanzielle Beteiligung von Wirtschaftspartnern ist nicht vorstellbar, wenn die Nationalmannschaft ohne Zuschauer und Medienpräsenz bei einem Turnier in einer Kleinstadt im Ausland spielt. Finanziert werden müssten diese Reisen also entweder von der Gesamtheit aller Verbandsmitglieder über deren Beiträge oder zumindest zum größeren Teil durch die Aktiven selbst. Da stellt sich vor allem im Sinne der Aktiven die Frage, ob es nicht wesentlich sinnvoller ist, die vorhandenen Mittel in die weitere Stärkung der GFL bzw. der eigenen Verbands- und Liga-Strukturen zu investieren, um dort die sportliche Herausforderung zu bieten, die die Aktiven benötigen.
Unabhängig davon will der AFVD mit seinen Landesverbänden vor allem aber das Nachwuchsleistungssportprogramm nicht nur aufrechterhalten, sondern auch ausweiten. Hier verbinden sich die Ziele der Leistungsförderung und der weiteren Stärkung der nationalen Ligen mit der GFL an der Spitze. Jugendliche können im Rahmen der Leistungssportmaßnahmen stärker an den Sport gebunden werden, ausgebildet werden und so auch für den späteren Spielbetrieb der GFL vorbereitet werden.
Gleichzeitig zeigt die Entwicklung der letzten Jahre, dass - primär sicher durch individuellen Trainingsfleiß, aber gefördert auch durch die anerkannt hohe Qualität der Jugendarbeit in den allermeisten AFVD-Vereinen und auch die Leistungssportmaßnahmen des Bundesverbandes oder der Landesverbände - immer mehr deutsche Jugendliche es schaffen, im Rahmen von Austauschjahren in US-High-Schools oder später auch in Colleges Fuß zu fassen. Dies ist nicht nur in sportlicher Hinsicht für diese jungen Menschen eine hervorragende Perspektive, sondern auch für ihre persönlichen Entwicklungschancen.
Dass solche Ausbildungswege über entsprechende sportliche Leistungen durch die Mitgliedschaft in einem AFVD-Verein möglich sind, gibt Vereinen bei der Mitgliederwerbung im Jugendbereich ein sehr gutes Argument gegenüber Eltern in die Hand. Für die Gesamtheit der AFVD-Mitglieder ist auch deswegen das für den Nachwuchsleistungsbereich zur Verfügung gestellte Geld und personelle Ressourcen nach Ansicht des Hauptausschusses sehr gut investiert.
Dabei sollen die Nachwuchstalente in Talentfördermaßnahmen gesichtet, ausgebildet und in ihrem Talent weiterentwickelt werden. Angestrebt wird dies mit Partnerorganisationen im internationalen Football-Sport. Das alljährliche Jugendländerturnier der Jugendauswahlmannschaften stellt hier bereits eine Anker-Aktivität da, die weltweit ihres Gleichen sucht.
5.
Der Bereich Leistungs- und Nachwuchsleistungssport des AFVD erstellt derzeit ein Grundsatzkonzept, das die verschiedenen Elemente zusammenfügt und eine nachhaltige ganzjährige Präsenz von Leistungs- und Nachwuchsleitungssportaktivitäten sicherstellt und ermöglicht. Dieses soll zeitnah den Gremien von Liga und Verband vorgestellt werden.
Dieses Grundsatzkonzept soll sowohl die Beschickung von Turnieren und Wettbewerben mit Auswahlmannschaften, als auch davon unabhängige Elemente enthalten. Über die turnusgemäß 2019 anstehende Weltmeisterschaft ist bis heute weder bekannt, wo diese stattfinden soll, noch wie sich Mannschaften qualifizieren können. Nach Angaben des australischen Football-Verbandes hat sich Australien mit Sydney als Austragungsort für die Ausrichtung beworben mit einem Zeitfenster, das unmittelbar drei Tage hinter dem bereits terminierten German Bowl 2019 beginnt. Der German Bowl muss aus organisatorischen Gründen in der FIFA-Länderspiel-Pause stattfinden und kann daher nicht verschoben werden. Für eine Anreise nach Australien stünde somit bei einer Flugdauer von 24 - 28 Stunden nur ein Zeitfenster von zwei Kalendertagen zur Verfügung.
Gespräche über mögliche Länderspiele und Wettbewerbsformate in 2019 und darüber hinaus werden derzeit geführt.