Mitteilung von AFVD vom 06.12.2009

Thomas Bach appelliert an Achtung und Respekt im Sport

DOSB Bundestag am 05.12.09 in Düsseldorf

DOSB-Präsident Thomas Bach hat bei der Mitgliederversammlung in Düsseldorf alle am sportlichen Geschehen Beteiligten und Berichterstatter dazu aufgefordert, die Relativität des Sports zu verinnerlichen.

DOSB-Präsident Thomas Bach am Rednerpult, Foto: Bowinkelmann
Zum Auftakt der 5. Mitgliederversammlung des DOSB im Hotel Hilton in Düsseldorf erinnerte Bach an den Fußball-Nationaltorhüter Robert Enke, dessen Selbstmord ein Tabu-Thema unserer gesamten Gesellschaft öffentlich gemachte habe. Dabei sei auch für den Sport deutlich geworden, dass sich Patentrezepte bei der Krankheit Depression verböten.

Sport, so Bach, könne „offensichtlich zu Prävention und Bewältigung von Depressionen ebenso beitragen, wie er bei übersteigerter Fixierung zum Gegenteil führen kann“. Die absolute Fixierung auf Sport, auf Beruf, auf Forschung und Kunst, auf ein isoliertes Lebensfeld sei offensichtlich der Persönlichkeitsentwicklung abträglich und könne zu unmenschlichen Erwartungen, Überhöhungen und schließlich zu Einsamkeit und tiefem Fall führen. Bach erinnerte an die im Sommer dieses Jahres verabschiedete Grundsatzerklärung mit den beiden großen Kirchen. Sie mache deutlich: „Der Sport ist keine Religion und will auch keine Ersatzreligion sein.“

Bach verwies auf die vielen Möglichkeiten, die der Sport biete, um dieser absoluten Fixierung gerade nicht zu verfallen: die Vereine als soziale und kommunikative Netze, die „Eliteschulen des Sports“ und Programme zur „Dualen Karriere“, in denen Athletinnen und Athleten sich auch immer mit der Notwendigkeit und den Möglichkeiten eines Lebens außerhalb des Sports befassten.

Achtung und Respekt führen zu Solidarität

Achtung und Respekt führten zu Solidarität. Die Vereine, so Bach, hätten auf diese Herausforderungen bereits vielfältige Antworten gefunden. Doch zugleich stelle der Sport fest, dass im Zuge einer immer stärkeren Individualisierung viele Menschen ihrer sportlichen Betätigung nicht mehr im Verein, sondern selbst organisiert oder bei kommerziellen Anbietern nachgehen. Die Diskussion, die bereits im Präsidialausschuss Breitensport/Sportentwicklung erste Ergebnisse hervorgebracht habe, müsse fortgeführt werden und sich weiter öffnen.

„Voraussetzung aller Erfolge ist die solide und solidarische Finanzierung des Sports“, sagte Bach. Dabei seien die Einnahmen insbesondere aus den Sportwetten der staatlichen Lottogesellschaften aus verschiedenen Gründen dramatisch eingebrochen, während private und illegale Anbieter hohe Umsatzsteigerungen verzeichneten.

Darüber hinaus hätten Manipulationen die Glaubwürdigkeit des Sports beeinträchtigt. „Deshalb sollten die nationalen und internationalen Verbände ihr Regelwerk überprüfen und entsprechend anpassen“, sagte Bach und stellte zweierlei klar: „Erstens: Schwalben im Strafraum vertreibt auch kein Staatsanwalt. Zweitens: Bei Wettbetrug und Korruption haben wir nicht die Test- und Kontrollmöglichkeiten wie im Kampf gegen Doping.“ Deshalb, so Bach weiter: „sollten wir nach Abschluss der Wettbetrugs-Fälle, die jetzt Gegenstand staatsanwaltlicher Ermittlungen sind, sorgfältig prüfen, ob und welche staatlichen und gesetzgeberischen Maßnahmen im Kampf gegen Wettbetrug und Korruption benötigt werden.

Frauen müssen für Führungsaufgaben gewonnen werden

Zum Abschluss des „Jahres der Frauen im Sport“ stellte der DOSB-Präsident fest, dass die mit dem Schwerpunktjahr verbundenen Programme und Konzepte, mehr Frauen für Führungsaufgaben zu gewinnen, fortgesetzt werden müssten. „Sechs statt vorher vier Präsidentinnen von 97 Mitgliedsorganisationen bedeutet nach wie vor ein erhebliches Ungleichgewicht“, sagte Bach. Das bestätige leider einmal mehr der Blick in den Saal.

Für die Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver kündigte Bach den Versuch an, den Titel in der inoffiziellen Nationenwertung zu verteidigen. Aber die Konkurrenz, insbesondere durch Gastgeber Kanada, die USA, Russland und Norwegen sei groß. „Wir sind zuversichtlich, dass sich die deutsche Olympiamannschaft in dieser starken Konkurrenz mit ausschließlich sauberen Mitteln behaupten wird“, sagte Bach und verwies auf die Null-Toleranz-Politik des DOSB zusammen mit der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA).

Indirekter Dopingnachweis ist ein Meilenstein

Dabei sei die Möglichkeit des sogenannten indirekten Dopingnachweises „ein wichtiger Meilenstein“. Die entsprechende Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofes (CAS) habe wieder bewiesen, „dass uns das Sportrecht mehr Möglichkeiten im Kampf gegen Doping bei den Athleten eröffnet, als es staatliches Recht jemals könnte“, sagte Bach und sah sich in dieser Einschätzung auf einer Linie auch mit dem neuen Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der als Ehrengast der Versammlung beiwohnte. Der DOSB hoffe, sagte Bach, dass in Zukunft die Justizbehörden stärker Gebrauch machten von den vorhandenen strafrechtlichen Anti-Doping-Bestimmungen gegen die Hintermänner gedopter Athleten.

Dabei werde der individuelle Fall Claudia Pechstein in seiner Bewertung den Sport noch einige Zeit beschäftigen. Zu groß seien die Meinungsverschiedenheiten der Sachverständigen. Aber: „Wir alle akzeptieren und sind rechtlich gebunden an die Urteile des CAS als sportrechtlich höchster Instanz“. Das habe auch die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft deutlich gemacht und gleichzeitig die menschliche Perspektive gegenüber ihrer erfolgreichsten Athletin gewahrt. Dafür gebühre dem Verband Anerkennung.

Olympia-Team für Vancouver unterstützt Null-Toleranz-Politik

Auch für Vancouver 2010, so kündigte Bach an, „werden wir im Kampf gegen Doping die weltweit wohl strengsten Maßstäbe bei der Nominierung von Athleten mit bereits abgelaufenen Dopingsperren anlegen“. Die Mitglieder der Olympiamannschaft unterstützten diese Null-Toleranz-Politik voll und ganz. „Deswegen haben sie es auch nicht verdient, mit einem Generalverdacht überzogen zu werden“, sagte Bach. Man werde ihnen Achtung und Respekt vor ihrer Leistung und vor ihrer Persönlichkeit nicht versagen – „auch wenn es mit der Titelverteidigung in Vancouver nicht klappen sollte“. Auch ein Platz unter den besten drei Nationen der Wintersportwelt wäre ein großartiger Erfolg.

München 2018 hat mit Bogner und Witt zwei erstklassige Protagonisten

Für die Bewerbung Münchens um die Olympischen Winterspiele und Paralympics 2018, die sich der Unterstützung von Bundespräsident, Bundesregierung und Deutschem Bundestag sicher sein dürfe, gelte das aber nicht, sagte der Präsident. „Sportler, die wir sind, wollen wir dieses Gold gewinnen.“ Mit Willy Bogner und Katarina Witt habe die Bewerbung zwei Protagonisten eines sympathischen und weltoffenen deutschen Sports gewinnen können. „Ihnen stehen auch international die Türen offen“, sagte Bach. „Und wo ausnahmsweise nicht, werden wir sie ihnen öffnen und sie mit aller Kraft unterstützen.“ Eine gute Grundlage dafür böten das Netzwerk mit Partnerschaftsabkommen auf allen fünf Kontinenten und das in drei Jahren verdoppelte Budget des Auswärtigen Amtes für Sportprojekte. Bach dankte auch den Mitgliedern und zeigt sich beeindruckt, wie sie diese Bewerbung angenommen hätten. „Diesen Schwung wollen wir auch in das nächste Jahr tragen“, sagte Bach. „Denn nur, wenn wir überzeugt sind, können wir andere überzeugen.“

Gute Zusammenarbeit mit Bundesinnenministerium bekräftigt

Der DOSB-Präsident bekräftigte die gute Zusammenarbeit mit dem Bundesinnenministerium, für deren Fortsetzung der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung eine hervorragende Grundlage sei. Das gelte für alle Themen, vom Programm „Integration durch Sport“ über die Förderung des Leistungssports, die Anerkennung des Ehrenamtes, beim gemeinsamen Kampf gegen Doping und Manipulation bis zum Kampf gegen Rechtextremismus.

„Extremismus, Ausgrenzung und Diskriminierung haben im deutschen Sport keinen Platz“, sagte Bach. Wir, der DOSB, stehen für Integration, Toleranz und Solidarität.“